Ich war drei Wochen auf der Depressionsstation von Herrn Schüle. Nach einer Hashimoto-Erkrankung hatte ich psychische Probleme (was nicht ungewöhnlich ist). Zu dem Zeitpunkt ging es mir psychisch ziemlich gut; ich war nur körperlich noch schwach, was meine Psychiaterin noch immer als eine Form von Depression ansah. Da ich aber die Antidepressiva nie so gut zu vertragen schien, ließ ich mich stationär einweisen, um die Dosis einstellen zu lassen. So landete ich auf der Station von Dr. Schüle.
Ich weiß, dass eine Station voller Depressiver nicht leicht zu leiten ist. Aber ich finde, das ist noch lange kein Grund, sie mit so wenig Sensibilität zu leiten. Jeder Automechaniker zeigt mehr Feingefühl gegenüber seinen Patienten. Natürlich fand ich die Atmosphäre auf der Station beengend... ich war sicher fünfzig Jahre jünger als der Altersdurchschnitt. Ich schlief keine Nacht, weil in meinem Zimmer vier ältere Frauen lagen, von denen drei furchtbar schnarchten. Auf der Station gab es nichts zu tun, außer zu essen und zu warten, dass man Visite hatte und abends konnte man entweder um acht ins Bett gehen oder sich ohrenbetäubend laute Karnevalssendungen ansehen.
Als ich zu verstehen gab, dass es mir hier natürlich schlechter ging und fragte, ob ich nicht wenigstens zuhause schlafen könnte, wurde mir erklärt, jetzt komme das Grundleiden zutage. Als ich darauf hin frustriert war, wurde mir eine vollkommene Ausgangssperre verhängt (ich durfte nicht mal mit meiner Mutter drei Schritte vor die Stationstür). Die Ärzte sprachen mit einem als wären man nicht da, kein Widerspruch wurde irgendwie aufgenommen, keine Sorge ernst genommen. Das hat mich in den Visiten in die Frustration getrieben, worauf hin mich Dr. Schüle nötigen wollte, Valium zu schlucken. Das Tavor kann schon nach zwei, drei Wochen abhängig machen... Dort habe ich Leute getroffen, die das von Herrn Schüle schon zehn Wochen in hoher Dosis bekamen. Irgendwann wurde ich richtig sauer und habe nur noch versucht, irgendwie meine Entlassung zu veranlassen. Aber weder ich, noch mein Freund wurde irgendwie von den Ärzten gehört. Meine Wut wurde in Stimmungsschwankungen uminterpretiert, ich sollte Lithium nehmen, obwohl das eines der wenigen Medikamente ist, dass man als Hashimoto-Patient nicht nehmen soll (wie ich später herausfand).
Das Antidepressivum Trevilor schien die gesamte Station gesponsort zu haben, denn sämtliche Post-Its und Taschentuchboxen, waren Trevilor-gelb mit Werbeaufdruck. Alle Ärzte haben mir ständig, wie ein Mantra, vorgebetet, das Trevilor ein sehr gutes Medikament sei. Es war auch egal, dass mir davon so schwindlig und übel wurde, dass ich manchmal kaum aufstehen konnte. Und als ich davon abnahm, sagten mir meine Ärzte, ich sei so dünn, ich habe eine Essstörung. Wenn ich mehr essen würde, dann würde ich mich auch nicht so schwach fühlen.
Nach drei Wochen, wurde ich endlich entlassen. Es hatte sich nichts gebessert. Ich fühlte mich körperlich so schwach wie vorher und psychisch auf einmal wieder schlecht. Als ich Dr. Schüle fragte, ob er irgendeine Prognose geben könnte, wann das Schwächegefühl verschwinden könnte (ich hatte es schon ein Jahr), weil ich mein Studium schmeißen müsste, wenn es so weiter ginge, sagte er: "In ihrer anschließenden Psychotherapie wird ausreichend Zeit sein, ihre Lebenspläne zu besprechen." Ich versuchte ihm zu sagen, dass es darum ging OB ich überhaupt studieren könnte, OB ich jemals arbeiten kann, wenn ich weiterhin so schwach bin. Woraufhin er sagte: "Es wäre wirklich einseitig in einer Therapie nur über Körperliches zu sprechen."
Meine Psychotherapie bestand dann zu großen Teilen darin, meinen Therapieaufenthalt zu verarbeiten. Trevilor habe ich nach der Entlassung (nachdem mir der erste Arzt bei dem ich danach war gesagt hat, in meinem Zustand bräuchte ich doch keine Antidepressiva) abgesetzt, was schon mal Besserung brachte. Danach habe ich wieder zugenommen, inzwischen habe ich wohl auch eine Diagnose für die Schwäche: Borreliose. Und falls ich jetzt mal wirklich psychisch krank werde, habe ich ein Problem, weil ich nie, nie wieder in eine psychiatrische Klinik will.