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/ Mythos oder Wahrheit – welche Fakten und Tipps zur psychischen Gesundheit sind wirklich wahr? Psychologe Sacha Bachim im Interview

Mythos oder Wahrheit – welche Fakten und Tipps zur psychischen Gesundheit sind wirklich wahr? Psychologe Sacha Bachim im Interview

Von: Elisabeth Maußner

Veröffentlicht: 01.07.2024

Lesezeit: 5 Min.

Patientenwissen | Tipps

Papier-Silhouette eines Kopfes mit Bleistiftzeichnung des Gehirns und großem Fragezeichen ruht auf zwei flachen Händen. Hintergrund orange
Was wissen wir wirklich über unsere Psyche und was ist nur ein Mythos? | © Berit Kessler - stock.adobe.com

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Tipps zur psychischen Gesundheit begegnen uns überall. Doch nicht alle sind hilfreich. Oft mischen sich Halbwahrheiten und Mythen darunter, die mehr Schaden anrichten als nutzen. Psychologe und Psychotherapeut Sacha Bachim hat dazu ein ganzes Buch geschrieben. In „Faktencheck Psyche: 50 Mythen über unser Denken, Fühlen und Handeln“ aus dem dtv Verlag klärt er über falsche Vorstellungen dazu auf.

Doch wie können Sie eigentlich erkennen, was wahr ist und welche Informationen Sie lieber vergessen sollten? Sacha Bachim gibt dazu wertvolle Tipps im Interview.

sanego: Sprüche-Bilder auf Social Media, Austausch mit anderen und Interviews mit prominenten Betroffenen – das Thema Psyche ist in der Öffentlichkeit angekommen. Was meinen Sie: Ist das ein guter Trend oder ein weiterer Weg, um falsche Annahmen und Vorurteile zu verbreiten?

Sacha Bachim: Noch nie wurde so viel und so offen über psychische Gesundheit gesprochen wie im Moment. Die mentale Gesundheit erhält dadurch einen immer höheren Stellenwert und das ist natürlich gut so! Betroffene, die unter psychischen Krankheiten leiden, erkennen, dass sie nicht allein sind und erhalten wertvolle Informationen über Hilfsmöglichkeiten. Allerdings ist es tatsächlich nicht so leicht, zwischen wissenschaftlich fundierten Aussagen und gut gemeinten, aber leider unpassenden und manchmal sogar schädlichen Ratschlägen zu unterscheiden.

Wie kann man Fakten und Mythen zur psychischen Gesundheit unterscheiden?

sanego: Wie können Laien denn erkennen, was in diesem Zusammenhang stimmt und was nicht?

Sacha Bachim: Vertrauensvolle Aussagen zu psychischer Gesundheit sollten nicht als generalisierte Plattitüden formuliert sein, sondern wirksame Hilfeleistung bei der Erreichung realistischer Ziele liefern.

sanego: Können Sie eine Empfehlung geben, wo unsere Leser:innen verlässliche Informationen finden, wenn Sie sich über Psychologie und Psyche informieren wollen?

Sacha Bachim: Gute Informationsquellen (Internetseiten, Bücher etc.) sollten objektiv und neutral über Themen psychischer Gesundheit und Krankheit informieren und über wirksame Hilfsangebote und Behandlungsmöglichkeiten aufklären. Dabei sollten auch die zugrundeliegenden Wirkfaktoren von Hilfsansätzen verständlich erklärt und am besten mit Literaturquellen belegt werden. Bei Fragen zu jeglichen Themen der (körperlichen und psychischen) Gesundheit kann aber auch der Hausarzt ein guter erster Ansprechpartner sein.

Sacha Bachim

ist Psychologe und Psychotherapeut in Luxemburg. Neben seiner Arbeit in der eigenen Praxis, möchte er möglichst viele Menschen über Themen der psychischen Gesundheit informieren. Als Redner, Fortbilder und Ratgeber-Autor nutzt er wissenschaftlich fundierte Methoden, aber auch Kreativität und Humor.

sanego: Inzwischen gibt es auch immer mehr (online) Angebote abseits der traditionellen Psychotherapie, die psychologische Ratschläge und Hilfe anbieten. Wie können Interessierte sicherstellen, dass sie dort an wahre und verlässliche Informationen kommen?

Sacha Bachim: Alles, was hilft und nicht schadet ist prinzipiell gut. In der Regel gilt aber, es gibt keine Zauberformel. Hüten Sie sich vor Allsätzen, die Ihnen ein Pauschalrezept fürs Lebensglück verkaufen wollen.

Warum es wichtig ist, über Mythen aufzuklären

sanego: Sie entlarven in Ihrem Buch „Faktencheck Psyche“ 50 Mythen über Psychische Gesundheit. Warum finden Sie es wichtig darüber aufzuklären?

Sacha Bachim: Mein Ziel ist es, aufzudecken, inwieweit wir alle in unserem Alltag von verinnerlichten Annahmen und Regeln beeinflusst werden, die nur auf Halbwissen oder sogar falschem Wissen aufbauen. Ganz oft ist uns noch nicht einmal bewusst, dass solche Mythen in Form von Glaubenssätzen unser Denken, Fühlen und Handeln steuern. Sie können aber Unsicherheiten und Ängste schüren und dafür sorgen, dass wir immer wieder in schädliche Verhaltensmuster zurückfallen.

sanego: Wie gehe ich damit um, wenn sich ein Mythos, der mir bisher schlüssig erschien und mir vielleicht auch geholfen hat, als unwahr herausstellt?

Sacha Bachim: Viele der Mythen, die wir verinnerlicht haben, wurden als generalisierte Regeln abgespeichert, die keinen Spielraum für Interpretationen zulassen. Im Buch wird anhand von wissenschaftlichen Studien, aber auch durch Gedankenexperimente und Metaphern dargelegt, wieso die jeweiligen Annahmen als Mythen entlarvt werden müssen. Zu jedem Kapitel gibt es eine einfache praktische Übung aus der Psychotherapie, um sich von den jeweiligen Glaubenssätzen zu lösen und eine realistischere und konstruktivere Perspektive zu fördern.

Buchvover Faktencheck Psyche
Buchvover Faktencheck Psyche | © dtv Verlag

Diesen Mythos sollten Sie kennen

sanego: Welchen Mythos zum Thema psychische Gesundheit sollte jeder kennen?

Sacha Bachim: Das erste Kapitel im Buch heißt: Psychisch gesund ist, wer keinen Dachschaden hat. Die psychische Gesundheit hat es zwar mittlerweile in den öffentlichen Diskurs geschafft, und doch scheint es, als ob in der Gesellschaft nur über psychische Gesundheit gesprochen wird, wenn eigentlich das Gegenteil, nämlich die psychische Krankheit gemeint ist. Dabei wird übersehen, dass wir alle präventiv dazu beitragen können, unsere psychische Gesundheit zu pflegen. Dafür braucht es aber eine Bewusstseinsschaffung, die bereits mit der simplen Frage „Wie geht es mir eigentlich heute und was könnte ich tun, damit es mir (noch) besser geht?“ anfängt.

sanego: Haben Sie zum Abschluss noch einen Rat, den Sie gerne an unsere Leser:innen weitergeben würden?

Sacha Bachim: Glauben Sie nicht mehr jeden Quatsch, der Ihnen eingetrichtert wurde! Versuchen Sie stattdessen einen realistischen und konstruktiven Blick auf das Leben zu werfen. Nichts ist schwarz oder weiß. Natürlich kann kein Buch eine richtige Psychotherapie ersetzen kann. Sollten Sie merken, dass Ihre Lebensqualität abgenommen hat, zögern Sie nicht, auf professionelle Hilfe zurückzugreifen.

Autoreninformation

Elisabeth Maußner

Medizinische Redakteurin

Elisabeth Maußner ist studierte Journalistin und schreibt bei der ärzte.de MediService GmbH & Co. KG seit 2017 zu medizinischen Themen. Ihr Ziel: komplexe Zusammenhänge und wissenschaftliche Hintergründe einfach und für jeden verständlich auszudrücken. Die erfahrene Autorin hat bereits über 400 Artikel zu Gesundheits- und Medizinthemen verfasst, die u.a. auf aerzte.de, sanego.de und arzttermine.de veröffentlicht wurden.

Außerdem durfte sie Erfahrung beim Radio und beim Produzieren von Videos sammeln.

Persönlich interessiert sie sich insbesondere für Kinder- und Frauengesundheit, eine ausgewogene, intuitive Ernährung und die Digitalisierung im Gesundheitswesen.

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