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Borreliose: Gibt es bald einen Impfstoff?

Von: Linda Künzig

Veröffentlicht: 20.08.2024

Lesezeit: 6 Min.

Behandlung | Wirkstoffe

Eine Nahaufnahme einer Zecke auf einem menschlichen Finger
Die Zecke sucht nach einer geeigneten Stelle, bevor Sie zusticht. | © KPixMining - stock.adobe.com

Sie sind kaum so groß wie ein Stecknadelkopf und dennoch hochgefährlich: Zecken. Auf Gräsern oder in Büschen lauern die Parasiten auf ihren Wirt , ernähren sich von dessen Blut und können dabei schwerwiegende Infektionskrankheiten übertragen. Gegen FSME gibt es einen wirksamen Impfstoff. Gegen Borreliose bislang nicht – dies könnte sich in zwei Jahren ändern.

Zecken als Borreliose-Auslöser

Borreliose, auch bekannt als Lyme-Borreliose, ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung. Knapp jeder siebte Mensch ist weltweit bereits einmal infiziert worden; im Jahr 2023 wurden in Deutschland schätzungsweise 135.000 neue Borreliose-Fälle diagnostiziert.  Auslöser ist das Bakterium Borrelia burgdorferi. Hierzulande ist je nach Region bis zu ein Drittel der Zecken mit dem Krankheitserreger befallen. Er befindet sich im nüchternen Zustand im Verdauungstrakt der infizierten Zecke. Während des Saugvorgangs können die Bakterien in die Blutbahn des Menschen gelangen und eine Infektion verursachen.

Erkrankung mit vielen Gesichtern

Viele Borreliosen verlaufen völlig symptomlos und daher unbemerkt. Falls sich aus der Infektion eine Erkrankung entwickelt, kann diese verschiedenste Organe betreffen. In den meisten Fällen macht sich die Infektion zunächst an der Haut bemerkbar. Die sogenannte „Wanderröte“ tritt nach einigen Tagen (bis Wochen) nach dem Zeckenstich auf und breitet sich kreisförmig von der Stichstelle aus. Außerdem können das Nervensystem und Gelenke sowie in seltenen Fällen das Herz betroffen sein. Die verschiedenen Beschwerdebilder können einzeln, zeitgleich oder aufeinanderfolgend auftreten. Je nach Stadium und Verlauf wird eine Borreliose mit Antibiotika in oraler oder intravenöser Darreichungsform behandelt. Betroffene, die früh mit geeigneten Wirkstoffen therapiert werden, erholen sich in der Regel schnell und ohne bleibende Schäden.

Borreliose-Impfstoffe in der Vergangenheit

Die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Borreliose gilt aufgrund der Eigenschaften des Erregers als schwierig. In den USA wird im Jahr 1998 nach zehnjähriger Forschung ein wirksamer Borreliose-Impfstoff zugelassen. Bereits 2002 nimmt der Hersteller ihn wieder vom Markt; offiziell aus wirtschaftlichen Gründen. Allerdings zeigt eine Präsentation des Paul-Ehrlich-Instituts von 2003, dass es auch Sicherheitsbedenken gab. Mit der Rücknahme in den USA wird auch der für den europäischen Markt vorgesehene Impfstoff gestoppt.

Borreliose-Impfstoff VLA15 könnte 2026 auf den Markt kommen

Seit Längerem wird am Lyme-Borreliose-Impfstoff VLA15 gearbeitet. Es handelt sich hierbei um einen Sechsfachimpfstoff, der auf die am häufigsten vorkommenden Arten von Borrelien in Europa und Nordamerika abzielt. VLA15 hemmt die Fähigkeit des Bakteriums, die Zecke zu verlassen und Menschen zu infizieren. Nach der Impfung bildet der Körper Antikörper, die gegen ein spezielles Oberflächenprotein der Borrelien gerichtet sind. Wenn die Zecke Blut saugt, nimmt sie diese Antikörper auf. Im Magen der Zecke greifen die Antikörper die Borrelien an, töten sie oder machen sie zumindest unschädlich. Derzeit wird die Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität von VLA15 bei Studienteilnehmern und Studienteilnehmerinnen untersucht. Sollten alle erhobenen Daten positiv ausfallen, könnte im Jahr 2026 ein Lizenzantrag bei der amerikanischen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde (FDA) gestellt werden. Ebenso wäre eine Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) möglich.

Weitere Forschungsansätze

Forschende der Universität Yale arbeiten an einem m-RNA-Impfstoff, der das Immunsystem aktivieren soll. In Folge reagieren Geimpfte sofort auf einen Zeckenstich. Der Juckreiz fällt bei ihnen stärker aus und die Zecke wird schneller entdeckt. Im Idealfall kann sie so noch rechtzeitig entfernt werden, bevor sie Borreliose-Bakterien überträgt. Die Entwicklung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Die Forscher:innen zeigen sich optimistisch, dass der von ihnen gewählte Ansatz ebenfalls gute Chancen für einen Impfstoff gegen Zeckenstiche bieten könnte.

Wie kann man sich aktuell vor Borreliose schützen?

Die Vermeidung von Zeckenstichen ist aktuell der beste Schutz vor Borreliose. Aber auch die richtigen Maßnahmen nach einem Stich können das Erkrankungsrisiko minimieren.

  1. Geeignete Kleidung tragen

    Lange Kleidung, festes Schuhwerk und in die Socken gesteckte Hosenbeine haben sich bei Aufenthalt in hohem Gras oder Sträuchern bewährt. Auf heller Kleidung fallen Zecken leichter ins Auge und können entfernt werden, bevor sie zubeißen.

  2. Zeckenschutzmittel verwenden

    Der Wirkstoff DEET (Diethyltoluamid) bietet bis zu 8 Stunden Schutz vor Zecken. Produkte mit dem Wirkstoff Icaridin sind etwas hautfreundlicher, schützen allerdings über eine kürzere Zeitspanne (1 bis 3 Stunden) und müssen immer wieder aufgetragen werden. IR3535 (Ethylbutylacetylaminopropionat) ist ebenfalls für empfindliche Haut geeignet und hat ein geringes Potenzial für Hautreizungen und allergische Reaktionen. Permethrin wird hauptsächlich zur Behandlung von Kleidung und Ausrüstung verwendet.

  3. Sorgfältiges Absuchen des Körpers nach dem Aufenthalt im Freien

    Nach Aufenthalten im Freien, besonders in Wäldern oder hohem Gras, sollte der Körper gründlich nach Zecken abgesucht werden. Besonders dünne und warme Hautstellen wie an den Armen, in den Kniekehlen, an Hals und Kopf sowie im Intimbereich sind bevorzugte Angriffsstellen.

  4. Duschen nach dem Aufenthalt im Freien

    Da Zecken nicht sofort zustechen, können sie eventuell durch Duschen abgewaschen werden. Dies kann das Absuchen aber nicht ersetzen und sollte nur ergänzend durchgeführt werden.

  5. Umgebungsmaßnahmen

    Im eigenen Garten empfiehlt es sich, Gras und Gebüsch kurzzuhalten sowie Laub- und Holzstapel zu entfernen. Typische Lebensräume der Zecken wie Gebüsche, Unterholz oder hohes Gras sollten gemieden werden.

  6. Schutz von Haustieren

    Mit einem speziellen Halsband können Haustiere meist über mehrere Monate vor Zecken geschützt werden. Flüssige Spot-on-Präparate werden direkt auf die Haut des Tieres aufgetragen und bieten bis zu einem Monat Schutz.

  7. Schnelles Entfernen von Zecken

    Falls eine Zecke auf der Haut gefunden wird, sollte sie so schnell wie möglich entfernt werden. Das Infektionsrisiko steigt nach einer Saugzeit von mehr als 12 Stunden.

  8. Korrektes Entfernen von Zecken

    Eine Zecke sollte sofort und richtig entfernt werden. Hierzu eignen sich Pinzetten oder spezielle Werkzeuge. Mit ihnen wird die Zecke, nah an der Haut, langsam und gerade herausgezogen. Dabei sollte die Zecke am Kopf erfasst und möglichst wenig gequetscht werden. Hausmittel wie Klebstoff, Nagellack oder Öl sind absolut ungeeignet zur Zeckenentfernung! Sie bewirken, dass die Zecke im Todeskampf ihren Mageninhalt entleert und somit verstärkt potenzielle Krankheitserreger überträgt.

  9. Abtöten entfernter Zecken

    Entfernte Zecken können durch Einlegen in hochprozentigen Alkohol oder Desinfektionsmittel abgetötet werden. Alternativ kann die Zecke verbrannt oder in ein Stück Papier gelegt und mit einem harten Gegenstand zerquetscht werden. Zecken sollten nicht in der Toilette heruntergespült oder mit dem Schuhabsatz zerdrückt werden, da sie das überleben können.

  10. Wichtige Maßnahmen nach einem Stich

    Es ist ratsam, die Einstichstelle im Anschluss zu desinfizieren und mit einem wasserfesten Stift zu markieren, um mögliche Anzeichen einer Borreliose besser zu erkennen. Treten Symptome auf, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden.

Gut zu wissen: Was ist eigentlich FSME?

Bei einer Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) handelt es sich um eine durch Viren ausgelöste Erkrankung im zentralen Nervensystem. Sie verläuft charakteristischerweise in zwei Phasen.

Nach eher unspezifischen, grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen folgt meist ein beschwerdefreies Intervall von bis zu sieben Tagen. Danach machen sich typische neurologische Beschwerdebilder wie eine Entzündung der Gehirn- und Rückenmarkshäute, des Gehirns oder des Rückenmarks bemerkbar.

Je nach Schwere des Krankheitsverlaufs leiden Betroffene oft noch Monate später unter starken Nacken- und Kopfschmerzen, Krampfanfällen, Bewusstseinsstörungen oder Lähmungen. Erkrankte können nur symptomatisch wie beispielsweise mit Schmerzmitteln behandelt werden, da keine spezielle antivirale Therapie gegen FSME existiert.

Die Ansteckungsgefahr ist in den FSME-Risikogebieten besonders hoch: hierzu zählen Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen, das südöstliche Thüringen, Sachsen sowie vereinzelte Landkreise in anderen Bundesländern. In diesen Regionen tragen 0,1-5 Prozent der Zecken den FSME-Erreger in sich. Seit 1976 gibt es einen Impfstoff gegen das FSME-Virus.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt die FSME-Impfung allen Personen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten – also sowohl Bewohnern und Bewohnerinnen als auch Besuchern und Besucherinnen. Die Grundimmunisierung erfolgt mit drei Impfstoffdosen; Auffrischimpfungen sind in Abständen zwischen 3 und 5 Jahren notwendig, je nach Alter und verwendetem Impfstoff.

Autoreninformation

Linda Künzig

Apothekerin und freie medizinische Redakteurin

Linda Künzig ist seit 18 Jahren Apothekerin und hat sich auf dem Gebiet Homöopathie und Naturheilverfahren weitergebildet.

Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke arbeitet sie seit einigen Jahren als freie Fachautorin, spezialisiert auf die Erstellung pharmazeutischer Texte. Außerdem beantwortet sie als Online-Expertin alle Fragen rund um das Thema Arzneimittel. 

Seit August 2024 schreibt sie für ärzte.de MediService GmbH & Co. KG und bringt dort ihr umfassendes Fachwissen und ihre Expertise ein.